Claude Weill

Claude Weill

In Glücksmomenten bin ich
weder jung noch alt

Zwölf Porträts von Menschen nach der Lebensmitte

Buchumschlag Claude Weill

Blog

Neu findet ihr die Blog-Beiträge von mir auch auf der Webseite der Zeitschrift "Spuren" https://spuren.ch/­spuren-blogs/­claude-weill

Wahre Geschenke
Der Elefant und die Blinden
Nobody is perfect
Eine Rose ist
Hinfallen, wieder aufstehen
Bewusstseinserweiterung,aber subito!
LSD bitte auch für Gesunde legalisieren
Vorstellungen verstellen den Zugang zur Wirklichkeit
Die Heilkraft des Kreises
Die Gleichgültigkeit allen Seins
Eine kleine Berührung mit dem Tod
Gelungene Integration psychedelischer Erfahrungen
Umgang mit bad trips
Psychedelika und Empathogene im Alter
Mit der Kraft von Ayahuasca umgehen lernen
Unser psychedelisches Ego
Die Liebe unter dem Einfluss von MDMA und LSD
Den Psychedelika das Psychedelische austreiben
Psychedelika auch für Gesunde freigeben
Checkliste für einen sicheren Trip
Wer bin ich wirklich? Langzeiterfahrungen mit psilocybinhaltigen Pilzen



18.4.2024
Wahre Geschenke
Im Kontakt mit Menschen, die psychedelische Erfahrungen gemacht haben oder machen wollen, fällt mir immer wieder auf, wie hoch die Erwartungen an diese Substanzen sind. Mit ihrer Hilfe sollen innere Blockaden und frühkindliche Traumata schon nach wenigen Sitzungen zum Verschwinden zu bringen sein. Man verspricht sich kosmische Visionen und Ozeanische Selbstentgrenzung gleich auf dem ersten Trip. Microdosing wiederum soll einem in Windeseile kreativer, gelassener, selbstsicherer und zufriedener machen.

Auf die Frage, ob dies alles möglich sei, pflege ich jeweils zu antworten: ja, aber nur als Geschenk. Herbeizwingen lassen sich diese Erfahrungen nicht. Veränderungen brauchen Zeit. Psychedelika sind vielleicht eine Abkürzung auf dem Weg zum Gipfel. Wer aber den Gipfel erreichen will, muss den grössten Teil des Pfads doch zu Fuss gehen.

Ganz klar, die zuweilen euphorischen Medienberichte um die Psychedelische Renaissance tragen viel dazu bei, dass die meisten heute mit grösseren Erwartungen in ihre erste psychedelische Erfahrung einsteigen, als ich dies noch vor zwanzig Jahren tat. Die Liste der positiven Wirkungen, die LSD, Psilocybin oder MDMA auf unser Wohlbefinden, unsere psychische und physische Gesundheit sowie auf unsere Bewusstseinsentwicklung haben sollen, wird täglich länger.

Bei all dem Erwartungsdruck geht leicht der Blick für die manchmal nicht so spektakulären, aber gleichwohl nachhaltigen Wirkungen dieser Sakramente verloren: Jemand stellt nach drei LSD-Erfahrungen fest, dass er sein frühkindliches Trauma zwar nicht losgeworden ist – er aber jetzt frei von Angst anschauen kann, was ihm damals widerfahren ist. Jemand anders kommt zwar auf seinem ersten Pilztrip nicht zu mystischen Visionen; stattdessen macht er zum ersten Mal die Erfahrung, wie geborgen es sich in einer Gruppe von gleichgesinnten Menschen anfühlen kann. Eine dritte Person wiederum erfährt unter MDMA zwar nicht jenes Gefühl der allumfassenden Liebe, das sie sich so fest gewünscht hat. Dafür bekommt sie aber auf dem Trip derart viel Energie geschenkt, wie noch nie zuvor in ihrem Leben.

Psychedelika sind keine Wundermittel. Aber wer ihre Wirkungen auf Körper und Geist mit Ehrfurcht entgegennimmt, wird jedes Mal reich beschenkt.


13.2.2024
Der Elefant und die Blinden
Der deutsche Philosoph Thomas Metzinger hat sich zu seinem Lebensziel gesetzt, die Essenz des menschlichen Bewusstseins zu erforschen. Sein Bestseller «Der Ego-Tunnel» wurde in elf Sprachen übersetzt. Vor zwanzig Jahren hatte der Kognitionswissenschaftler mit seiner Forderung nach einem «LSD-Führerschein» für Aufsehen gesorgt. Nach einer erfolgreichen und umfangreichen Prüfung praktischer und theoretischer Kenntnisse über Psychedelika sollte gemäss Metzinger der Konsum dieser wirkmächtigen Substanzen erlaubt sein.

Jetzt hat der Bewusstseinsforscher in einer wahren Herkulesarbeit Erfahrungsberichte von 500 Meditierenden aus 57 Ländern daraufhin untersucht, wie sie reines Bewusstsein bei der Meditation erleben. Die Ergebnisse hat er in einem 950 (!) Seiten starken Buch präsentiert.* Metzinger interessierte die spirituelle Erfahrung des reinen Gewahrseins, unabhängig von religiösen oder weltanschaulichen Glaubenssystemen. Wie die Blinden in der altindischen Fabel einen Elefanten ganz verschieden beschreiben, je nachdem welchen Körperteil sie von ihm anfassen, fallen auch die Erfahrungen der 500 Meditierenden mit dem reinen Bewusstsein unterschiedlich aus.

Für die einen ist es Nicht-Identifikation, für andere grenzenlose Stille, die Abwesenheit von Gedanken, eine grosse Klarheit und Wachheit. Viele berichten von einem Seins-Zustand des Nach-Hause-Kommens, einem Erkennen der wahren eigenen Natur. Vielfach erleben Meditierende eine «Istigkeit», wie sie der mittelalterliche Mystiker Meister Eckhart bezeichnet hat – einen Zustand, wo es kein «Ich» mehr gibt, sondern nur reines Sein.

Dass ein Ich-Gefühl keine notwendige Bedingung darstellt für Bewusstheit, erlebe auch ich immer wieder einmal. Mit oder ohne psychedelische Substanzen. Manchmal erwache ich am Morgen oder nach einem Mittagschlaf und bin für zehn, zwanzig Sekunden oder länger «de-personalisiert». Kein Ich, kein Ort- und kein Zeitgefühl. Nur Gewahrsam, offener Raum, zeitlose Istigkeit.

Ich finde es wichtig, dass es Bewusstseinsforscher wie Thomas Metzinger gibt, die dem veralteten (aber nach wie vor wirksamen) kartesianischen Glaubenssatz «Ich denke, also bin ich» Erfahrungen entgegenstellen, welche Millionen Menschen weltweit täglich machen, wenn sie meditieren. Meditation als Erfahrungswissenschaft braucht bezüglich Evidenz den Vergleich mit unserer westlichen naturwissenschaftlichen Forschung nicht zu scheuen.
Der Dalai Lama ist wohl der prominenteste Verfechter eines Zusammengehens der beiden Forschungsansätze. Albert Hofmann, der Entdecker des LSD, hat einmal gesagt, ein Naturwissenschafter, der nicht zugleich Mystiker sei, habe das Wesen dessen, was er erkundet, nicht begriffen.

*Thomas Metzinger: Der Elefant und die Blinden. Auf dem Weg zu einer Kultur der Bewusstheit. Berlin Verlag, Berlin/München 2023


16.1.2024
Nobody is perfect
Ob man es will oder nicht, wird man älter, und eines Tages stellt man fest, dass die Zeit vermutlich nicht reichen wird, um all die guten Vorsätze einzulösen, mit denen man jeweils ins neue Jahr gestartet ist. Zum Beispiel schlechte Gewohnheiten loszuwerden, immer verantwortungsvoll zu handeln, sich nicht über Kleinigkeiten aufzuregen, stets liebevoll und empathisch zu sein, oder auch nur die Fenster der Wohnung regelmässig zu putzen.

Jedes Jahr wird mir etwas mehr bewusst, dass ich das selbstauferlegte «Vervollkommnungs-Programm» in diesem Leben nicht mehr schaffen werde. Noch vor fünf Jahren hätte diese Erkenntnis eine schwere narzisstische Kränkung bei mir ausgelöst. Heute sehe ich es eher als eine gute Übung im Loslassen von Vorstellungen, die verhindern das zu akzeptieren, was eben nicht zu ändern ist: meine diversen Unzulänglichkeiten, mein Anhaften an lustvollen und mein Vermeidenwollen von leidvollen Erfahrungen, mein dauerndes Herausfallen aus der Liebe und meine Putzallergie. Alles halb so schlimm.

Wir setzen uns gewaltig unter Druck mit unserem Bestreben, ein rundum «gelingendes» und «richtiges» Leben zu führen. Ganz besonders, wenn diese Sehnsucht nach Vollkommenheit eine spirituelle Ausrichtung hat

Unter solchen Vorzeichen scheint es oftmals fast unmöglich, die Ansprüche an sich selbst herunterzuschrauben. Sich einzugestehen, dass die eigenen Schattenseiten mindestens so stark ausgeprägt sind (und bleiben werden) wie die bereits «erleuchteten» Anteile, erfordert ein hohes Mass an Bewusstheit und Einsicht.
Ob mir das in meinem Erdenleben noch gelingt? Dazu fasse ich hier lieber keinen Vorsatz!


15.11.2023
Eine Rose ist
Seit geraumer Zeit leite ich eine zweiwöchentliche Gesprächsgruppe zur Integration psychedelischer Erfahrungen. Zu Beginn pflege ich jeweils mit den Teilnehmenden eine kleine Meditation zu machen. Wir setzen uns hin, schliessen die Augen und konzentrieren uns ein paar Minuten auf unseren Atem. Danach sind wir bereit fürs Gespräch.

Letztes Mal brachte ich eine rote Rose mit. Ich platzierte sie im Gruppenraum in der Mitte unseres Sitzkreises und forderte die Teilnehmenden auf, der Rose «bei ihrem Sein» zuzusehen. «Vergesst nicht zu atmen und versucht die Rose als Ganzes wahrzunehmen», lautete meine Empfehlung zu dieser für alle etwas ungewöhnlichen Meditation.

Ich will ehrlich sein: Diese Meditation habe ich dem englischen Schriftsteller und Psychonauten Aldous Huxley abgeguckt. Huxley machte seine erste psychedelische Erfahrung mit Meskalin vor einem Blumensträusschen sitzend, das dem Dichter im nüchternen Zustand noch geschmacklos und disharmonisch erschienen war. Unter der Wirkung des Meskalins erlebte Huxley jedoch, wie sich seine gewohnten Bewertungskriterien auflösten: «Ich blickte jetzt nicht auf eine ungewöhnliche Zusammenstellung von Blumen. Ich sah, was Adam am Morgen seiner Erschaffung gesehen hatte - das Wunder, das sich von Augenblick zu Augenblick erneuernde Wunder blossen Daseins.»*

Huxley musste unweigerlich an den christlichen Mystiker Meister Eckhart denken, der von «Istigkeit» gesprochen hatte in den Momenten, wo er sich mit Gott vereint wusste.

Auch die Rose in unserer Mitte hat uns an diesem Abend ein wenig an ihrer Istigkeit teilnehmen lassen. Meskalin war dazu nicht nötig.

*Aldous Huxley: Die Pforten der Wahrnehmung / Himmel und Hölle, Piper Taschenbuch, S. 15


17.8.2023
Hinfallen, wieder aufstehen
In einem früheren Blog habe ich ein Fragezeichen gesetzt hinter all die Anstrengungen, die wir unternehmen, um wenigstens ein wenig erleuchtet zu werden. Erleuchtung müsse nicht gesucht werden, schrieb ich, weil sie in jedem und jeder von uns schon vorhanden sei. Ich zitiere mich selbst: «Das, was mich ausmacht, braucht keine Attribute. Es gibt nichts zu erweitern oder zu erleuchten, weil alles immer schon vollständig und erleuchtet war und sein wird.»
Tönt einleuchtend, nicht wahr? Und auf einer höheren Seinsebene stimmt das wohl auch. Nur steht dieses Tor zum erleuchteten Zustand des ICH BIN für uns Normalsterbliche eben immer nur für kurze Momente offen. Meist befördern uns die Herausforderungen und Prüfungen des Lebens schnell und unsanft wieder in einen Bewusstseinszustand, der von Ablenkungen, Unruhe, Sorgen und Ängsten geprägt ist.

Es geht also offenbar nicht ohne ständige (mühsame) Arbeit am eigenen Bewusstsein: Wissen, was man fühlt und denkt, aus welchen Beweggründen heraus man handelt. Abschätzen lernen, welche Auswirkungen die eigenen Gedanken, Gefühle und Handlungen haben können, sich seiner Leid erschaffenden Anhaftungen und Abneigungen bewusst werden.

Das sind hohe Ansprüche, denen die allerwenigsten von uns je gewachsen sind. Auch der Schreibende kann es nicht; auch nicht nach vielen Jahren Prozessarbeit, Meditieren, Erfahrungen mit psychedelischen Substanzen und der Lektüre unzähliger Bücher von Weisheitslehrern und -lehrerinnen.

Ich gestehe mir das höchst ungerne ein. Mein spirituelles Ego reagiert gekränkt wie ein Kind, das nicht bekommt, was es gebieterisch einfordert. Aber andererseits lässt sich ja ein Kind, das Gehen lernt, nicht davon entmutigen, dass es immer wieder hinfällt. Es steht auf, um es erneut zu versuchen – und irgendwann geht das Kind ohne fremde Hilfe.

Etwa so könnte Bewusstseinserweiterung funktionieren. Möglicherweise.


15.5.2023
Bewusstseinserweiterung, aber subito!
Wer sein Bewusstsein erweitern möchte, hat die Qual der Wahl. Soll er oder sie sich für das «Superpower-Training-Seminar» anmelden («Du lernst im Seminar, wie du deine Superpower und einzigartige Hellsichtigkeit für deinen Alltag nutzen kannst, damit sie dich unterstützen kann dein Leben besser und verständnisvoller zu leben.»). Oder bringt es einem mehr, gleich das «Higher-Mind-Seminar» zu buchen? Motto: «Bewusstsein erweitern. Das Unmögliche erreichen: Ziehe Glück, Wachstum und Fülle in dein Leben.» Oder muss ich erst mal auf Google die 56600 Fundstellen zum Thema «Bewusstseinserweiterung: Methoden» durchsehen, damit ich den schnellsten Weg zur Erleuchtung finde?

Nun, ich bin der letzte, der sich über das spirituelle Überangebot in Sachen Bewusstseinserweiterung lustig machen darf. Was habe ich in meinem Leben nicht alles ausprobiert, um der Erleuchtung ein Stückchen näher zu kommen: Fallschirmspringen, Feuerlaufen, Schwitzhütten, LSD, Tantra, dynamische und stille Meditationen, Yoga, Holotropes Atmen und vieles mehr.

Ja, und bist du jetzt erleuchtet, lieber Claude, nach so vielen Jahren Beschäftigung mit deinem Bewusstsein? Stelle ich mir diese Frage ernsthaft, muss ich lachen. Wie wenn Bewusstsein etwas wäre, das man herstellen, erwerben oder besitzen kann, etwas das einem persönlich gehört.

Aber lange Zeit fühlte es sich so an. Ich machte «Bewusstseinsarbeit» und wähnte mich dadurch bedeutsam. Ich brauchte mein Bewusstsein, um jemand zu sein. Dabei ist es doch gerade umgekehrt: Bewusst sein bedeutet sich immer weniger mit sich selbst und den Objekten im Aussen identifizieren zu müssen.

Mit zunehmendem Alter realisiert man, dass man im Leben alles wieder loslassen muss – selbst die so sorgfältig gehüteten ausserordentlichen Bewusstseinserfahrungen. Glücklich, wer dann auf die Frage, wer er oder sie ohne all diese spirituellen Errungenschaften noch sei, mit einem bescheidenen «Ich BIN» antworten kann. Das, was mich ausmacht, braucht keine Attribute. Es gibt nichts zu erweitern oder zu erleuchten, weil alles immer schon vollständig und erleuchtet war und sein wird.


26.4.2023
LSD bitte auch für Gesunde legalisieren
LSD wird achtzig – wer hätte das gedacht! Am 19. April 2023 sind es genau achtzig Jahre her, seit der Sandoz-Chemiker Albert Hofmann sich in seinem Labor in Basel mit der Substanz Lysergsäurediethylamid «vergiftete», wie er glaubte, und in Panik auf dem Trip mit seinem Fahrrad nach Hause fuhr. In der weltweiten Psychedelika-Gemeinde wird dieses Ereignis seither als «bicycle day» gefeiert.

LSD und alle anderen Psychedelika haben wahrlich eine wechselvolle Geschichte hinter sich. In den 1950er Jahren kam es zu einem euphorischen Start in den Forschungslabors und psychotherapeutischen Praxen, später zur Kumulation in der amerikanischen Hippie- und Antikriegsbewegung der 1960er Jahre, ab 1971 dann zur Kriminalisierung und Verdrängung in den Untergrund. Seit etwa zwanzig Jahren erfolgt ein langsames Comeback der verteufelten Droge als nutzbringendes Medikament bei der Behandlung vieler psychischer Erkrankungen. Albert Hofmann würde sich freuen.

Wenn alles nach Plan läuft, werden in den USA LSD und Psilocybin und – wahrscheinlich noch früher – das Empathogen MDMA in einigen Jahren für medizinisch-therapeutische Zwecke legal sein. Etwas später dann auch in unseren Breitengraden. Allerdings, und das ist meine Befürchtung, eben nur für psychisch kranke Personen oder solche im Endstadium einer tödlich verlaufenden Erkrankung. Körperlich und geistig gesunde Menschen, die Psychedelika für die spirituelle Suche nutzen möchten, könnten bei einer künftigen Legalisierung aussen vor bleiben. Und zwar deshalb, weil suggeriert wird, dass nur der (kontrollierte) medizinisch-therapeutische Gebrauch von Psychedelika unbedenklich sei. LSD, Zauberpilze oder psychoaktive Kakteen sind jedoch bei achtsamem Konsum extrem sichere Substanzen – im Gegensatz zum legalen Alkohol mit seinem hohen Potenzial zur Selbst- und Fremdschädigung. Der britische Psychopharmakologe David Nutt hat diesen Sachverhalt 2010 in einer bahnbrechenden Studie eindrücklich belegt.

Wenn wir also nicht wollen, dass LSD für spirituell Suchende weiterhin verboten bleibt, müssen wir auf gesellschaftspolitischer Ebene Druck machen und uns in die Diskussion um die Legalisierung psychedelischer Substanzen einmischen. Das kann damit anfangen, dass man sich in seinem persönlichen Umfeld outet und zum Beispiel ausspricht: «Ja, ich nehme gelegentlich Psychedelika zu mir, um mich und die Welt besser zu verstehen. Ich werde davon nicht süchtig, noch leiden meine kognitiven Fähigkeiten darunter. Ich fühle mich stärker verbunden mit meinen Mitmenschen, mit der Natur und dem Geheimnisvollen und Göttlichen im Leben.» Ich für meinen Teil halte mit meiner Meinung dazu jedenfalls nicht mehr hinter dem Berg.


25.12.2022
Vorstellungen verstellen den Zugang zur Wirklichkeit
Wer kennt das nicht, der oder die schon längere Erfahrungen mit Psychedelika und Empathogenen gemacht hat: man nimmt die Substanz zu sich und schon sind sie da - die Erwartungen, wie es sein sollte auf dem Trip. Schliesslich hat man auf früheren Reisen diese und jene überwältigende Vision gehabt, diese überirdisch schöne sensorische Erfahrung geniessen können, ist zu jenen tiefen Einsichten gelangt und war doch liebevoll mit sich und allen anderen verbunden. Wir suchen nach der Repeat-Taste, aber eine solche gibt es nicht.

Beinahe unbemerkt sind aus Erfahrungen Vorstellungen geworden, welche Effekte sich auf der Reise einstellen müssen. Wenn dieses Vergleichen passiert - und es widerfährt auch mir immer wieder - ist meine Sicht auf das, was im Hier und Jetzt passiert, verstellt. Ich bin nicht wirklich da, weil meine Gedanken mit Vorstellungen beschäftigt sind, wie es sich anfühlen sollte mit LSD, Pilzen oder MDMA. Die Kunst des Navigierens auf Substanzenreisen besteht zu einem guten Teil darin, mit der Aufmerksamkeit immer wieder zu dem zurückzukehren, was in diesem Moment ist. Auch wenn uns das, was ist, als „wenig attraktiv“ erscheint. Besonders dann!

So gesehen sind psychedelische Erfahrungen ein wundervolles Aufmerksamkeitstraining für den Alltag. Auch dort fahren wir am besten, wenn wir in jedem Augenblick mit unserer Präsenz voll da sind und die Realitäten des Lebens so nehmen können, wie sie sich im Moment eben darstellen.


3.10.2022
Die Heilkraft des Kreises
Ich bin als Psychonaut weit gereist, habe zahlreiche mystischen Erfahrungen gemacht, bin zu wertvollen Einsichten gekommen, allein oder in Gruppen - aber erst Ayahuasca hat mich gelehrt, dass (m)eine Person, die diese Erfahrungen und Einsichten für sich beansprucht, immer noch ziemlich auf einem Ego-Trip ist. Klar geworden ist mir das auf meiner kürzlichen, vierten Ayahuasca-Reise, welche wie immer in einem Kreis mit Gleichgesinnten stattfand. Die starke Kreisenergie hatte ich schon in anderen psychedelischen Ritualen wahrnehmen dürfen, diese wunderbare zeitweilige Verbundenheit mit den anderen in der Gruppe. Dieses Mal erkannte ich aber, dass alles, was jeder und jede von uns scheinbar individuell mit Ayahuasca erlebte, eine gemeinsame Erfahrung von uns allen war. Wie hätte ich sonst beim Sharing so vieles, was die anderen erzählten, immer auch als einen Aspekt von mir erkennen können? Indem ich die anderen in ihren schönen und schrecklichen Visionen, ihren Ängsten, ihrem Leiden, ihren mystischen und göttlichen Erfahrungen sah, sah ich mich selber. Wir sind alle verbunden - nicht nur unter dem Einfluss von Madre Ayahuasca - dort aber wird es einem/einer vielleicht zum ersten Mal so richtig bewusst. Wenn also Heilung und Transformation erfolgt, dann nur, weil Ayahuasca jeden und jede im Kreis zum Heiler oder zur Heilerin der anderen macht. Für die indigenen Gemeinschaften in Amazonien ist diese Erkenntnis seit Jahrtausenden eine Selbstverständlichkeit. Wir hingegen, als Kinder von Gesellschaften, welche das individuelle Glück zum höchsten Lebensziel erklärt haben, müssen die „Wir-Erfahrung“ erst wieder entdecken.



28.6.2022
Die Gleichgültigkeit allen Seins
Menschen, denen alles gleichgültig ist, lösen bei ihren Mitmenschen eher ablehnende Gefühle aus. Wer der Welt gleichgültig gegenüber steht, macht keinen Unterschied zwischen Recht und Unrecht, gut und böse, richtig oder falsch, schön oder hässlich. Mit anderen Worten: es fehlen ihm oder ihr die Werte, auf die es in unserer dualen Welt ankommt, und an denen wir uns orientieren. Auf psychedelischen Reisen kann der Begriff Gleichgültigkeit jedoch eine völlig andere Bedeutung gewinnen. Alle Unterscheidungen, welche uns im Alltag so wichtig erscheinen, lösen sich auf. Es kann passieren, dass das Schöne und das Schreckliche dieser Welt gleichwertig - gleich gültig nebeneinander stehen. Wir sind mit allem, was existiert, einverstanden, weil wir in diesem Moment „jenseits von gut und böse“ sind. Ich habe möglicherweise Visionen von Tod, Gewalt und Zerstörung und gleichzeitig erblüht vor meinem inneren Auge eine wunderschöne Rose, deren Duft mich betäubt. Ich mag mich an eine Wanderung mit Meskalin erinnern: Es ist Sommer und ich spaziere an einer mächtigen Eiche in ihrem grünen Blätterkleid vorbei. Direkt daneben steht eine abgestorbener Nadelbaum. Ich schaue vom lebenden zum toten Baum und suche einen Unterschied - kann aber keinen finden! Da ist nur fortwährendes SEIN - der Mystiker Meister Eckhart hätte von „Istigkeit“ gesprochen. Es IST einfach. Der Verstand kann sich mit dieser Gleich-Gültigkeit nicht abfinden, im psychedelischen Zustand können wir das sehr wohl. Vielleicht gelingt es uns ja in unserem Alltag, in welchem wir werten und bewerten müssen, von Zeit zu Zeit in die Gleich-Gültigkeit zu kommen, die uns für einen Moment von der Last des dualen Denkens befreit. Handlungen, welche diesem Nullpunkt, dieser Leere, inneren Mitte entspringen, sind - das wage ich jetzt einmal zu behaupten - stimmiger und nachhaltiger.



23.5.2022
Eine kleine Berührung mit dem Tod
Jede Person, die mit Psychedelika tiefgreifende Erfahrungen machen möchte, muss bereit sein die Kontrolle über ihren Verstand für die Dauer der psychedelischen Erfahrung loszulassen. Der rationale, kontrollierende Teil unseres Ich, unser Ego, kann der Wucht der psychedelischen Erfahrung in der Regel nicht standhalten und kollabiert irgendwann. Dieser „Ego-Tod“ kann sich anfühlen, als wenn man wirklich sterben müsste. Das kann Angst machen, kann sich aber auch ungemein beglückend anfühlen. Alle der neun Psychonauten und Psychonautinnen, die ich in meinem Buch „Elysium hin und zurück - Mit Psychedelika unterwegs in der zweiten Lebenshälfte“ porträtiert habe, erzählen vom zeitweiligen Tod ihres Ego. Die Erfahrung des Ego-Tods hat ihre Einstellung zum Leben und zum Sterben verändert. Hier ein paar Auszüge:

Herbert (67)
Ich frage mich oft, was den Ausschlag gegeben hat, dass ich mich vor bald zwanzig Jahren auf den Weg des Psychonauten machte. Ich glaube, es hängt stark mit meiner Lebensgeschichte zusammen. Ich bin bei meiner Geburt fast gestorben und früh mit dem Tod meines Vaters konfrontiert worden; Das waren sozusagen meine ersten „Grenzerfahrungen“. Etwas in mir wollte, so scheint es, diese Erlebnisse wiederholen, ohne gleich sterben zu müssen. Auf Substanzenreisen verlierst du die Kontrolle über dein Ego, du erleidest bis zu einem gewissen Grad den Tod deines Egos. Etwas in dir muss sterben, damit du leben kannst. Es ist das Gesetz des viel zitierten „Stirb und werde“. Nach zwei Jahrzehnten Erfahrung mit bewusstseinserweiternden Substanzen bin ich der festen Überzeugung, dass die Räume, welche man unter LSD oder MDMA betritt, sich nur graduell von jenen unterscheiden, welche sich dir beim Sterben offenbaren. Du kehrst zurück in einen multidimensionalen Raum. So betrachtet eignen sich Psychedelika und Empathogene gut, um den Sterbeprozess angstfreier zu gestalten. Ich würde ein solches Hilfsmittel für mich allerdings nur in Erwägung ziehen, wenn ich beim Sterben Schmerzen hätte.

Mia (53)
Ich bin auf meinen Substanzenreisen schon oft mit dem Sterben konfrontiert worden, erlebe immer wieder den Moment, wo ich bereit bin alles loszulassen. Ich bin nicht mehr in meinem Körper; mein Bewusstsein hält nur noch lose, sozusagen aus Sicherheitsgründen, den Kontakt zum Körper aufrecht. Es fühlt sich für mich jeweils an wie der gute Zeitpunkt zum Gehen. Man wechselt beim Sterben ja sowieso nur die Dimension, davon bin ich überzeugt. (…) Ich erlebe auf Reisen immer wieder, dass sich alles auflöst, sogar das Nichts und die Leere. Alles steht still, dein Zeitgefühl ist weg. Ein bisschen fühlt es sich an wie im Auge des Hurrikans. Diese Zustände sind für mich wie die Rückkehr zu meinem Ursprung. Ich schöpfe daraus viel Kraft für meinen Alltag.

Brian (73)
Dass Erfahrungen mit Psychedelika im weitesten Sinne Todeserfahrungen sind, war mir schon früh klar. Jede Reise mit Substanzen ist eine kleine Berührung mit dem Tod. Dein Ego wird für ein paar Stunden zurückgedrängt, verschwindet vielleicht ganz und dies erlebt unser Verstand als Tod. Auf den hochdosierten Reisen, wie wir sie damals unternahmen, musstet du unweigerlich durch diesen Todespunkt deines Egos hindurchgehen. Hättest du Widerstand geleistet, wärst du womöglich in der Psychiatrie gelandet. Die Todesangst erlebte ich als sehr real. Bei meiner ersten Ketamin-Reise hatte ich das Gefühl, ich müsste wirklich sterben. Ich habe mich innerlich von allen verabschiedet. Der Lebensfilm lief ab, so wie es in Nahtoderfahrungen beschrieben wird. Der Gedanke stieg in mir hoch: „Jetzt hast du es übertrieben.“ Was ich aus dieser Erfahrung mitgenommen habe, ist die Erkenntnis, dass man beim Sterben mit Todesangst rechnen muss. Doch sobald man merkt, dass Widerstand zwecklos ist, kommt der absolute Frieden über einen. Diese Erfahrung liess mich erkennen, dass das, was ich wirklich bin, unsterblich ist. Was mich ausmacht, wurde nie geboren, und es wird nie sterben. Alles, was vergeht, ist der Körper. Ich habe deshalb keine Angst mehr vor dem Tod. Ob das auch für das Sterben gilt, werde ich herausfinden, wenn es geschieht. Sollte ich unheilbar krank werden und starke Schmerzen haben, würde ich versuchen diese statt mit Schmerzmitteln, mit minimalen MDMA-Dosierungen zu lindern. Das hat weniger Nebenwirkungen. Sterben möchte ich hingegen ohne psychoaktive Helfer, ich will den Moment des Übergangs ganz nüchtern wahrnehmen.

Max (55)
Die Substanzen tragen dazu bei, dass ich mich auch mit „ü50“ immer wieder vom Leben überraschen lasse. Sie sind es auch, die mich dazu bringen mich mit dem Sterben auseinanderzusetzen. Ein Trip fühlt sich manchmal an wie ein kleiner Tod. Gerade wenn du auf einer Reise Angst bekommst, du mit deinen Abgründen konfrontiert wirst, ist das ein wenig wie Sterben. Aber gleichzeitig ist da auch der Aspekt des Staunens, des kindlichen Berührtseins. Mir helfen die Substanzen lebendig, geschmeidig und achtsam zu bleiben.


13.5.2022
Gelungene Integration psychedelischer Erfahrungen

Psychedelische Erfahrungen in den Alltag integrieren ist anspruchsvoll. Sollen die auf dem Trip gemachten Erfahrungen nicht blosse „Inselerlebnisse“ bleiben, braucht es die bewusste Reflexion über sie. Kürzlich habe ich in Zürich einen Integrationszirkel besucht, welcher von einem jungen Psychologen geleitet wird. Fünf, sechs Psychonauten und Psychonautinnen, die meisten ebenfalls jung, treffen sich in lockeren Abständen für den Erfahrungsaustausch. Der Gruppenleiter lässt die Gruppe jeweils eine Fantasiereise machen, auf der die Anwesenden ihren letzten Trip nochmals mit allen Sinnen erleben können. „Was habt ihr gehört, was gesehen im aussen, was bei geschlossenen Augen, welche Gefühle kamen auf, was habt ihr gedacht, habt ihr etwas geschmeckt, gerochen?“ Danach können zwei, drei Anwesende die Erlebnisse ihrer letzten Reise schildern und reflektieren. Derartige Angebote gibt es immer mehr. Erfreulicherweise, denn mit der psychedelischen Renaissance nimmt auch die Zahl derer (wieder) zu, die ohne Hintergrundwissen psychedelische Erfahrungen machen möchten. Sie sollten mit ihren tiefgreifenden, vielleicht aber auch zuerst einmal verstörenden Erfahrungen, nicht allein gelassen werden. In geleiteten Substanzengruppen ist das einfacher, als wenn man alleine auf die Reise geht. In der Regel wird in einer geführten Gruppe für die Integration des Erlebten mindestens ein halber Tag bis ein Tag reserviert. In mehreren Gesprächsrunden können die Gruppenmitglieder ihre Erfahrungen reflektieren und erhalten wertvolle Impulse von den anderen Teilnehmenden.


Wer schon lange mit Psychedelika unterwegs ist, wird bestätigen, dass die längerfristige Integration der unter LSD, Psilocybin oder Ayahuasca gemachten Erfahrungen eng verknüpft ist mit den Absichten, welche man mit psychedelischen Reisen verbindet. Sich besser kennen lernen, erlittene psychische Verletzungen heilen wollen, nach spiritueller Verbundenheit suchen – all das sind Motive mit guten Integrationschancen. Mit der Zeit stellen sich dann wichtige Einsichten und Erkenntnisse bereits während der psychedelischen Erfahrung ein ¬– die Integration in den Alltag braucht immer weniger Zeit.



Gift für eine gelungene Integration ist hingegen, wenn wir - berauscht von den überwältigenden Trip-Erfahrungen – Grössenfantasien sprich ein psychedelisches Ego entwickeln. Wenn wir uns durch unsere Substanzenerfahrungen als etwas Besonderes fühlen und auf Menschen herabschauen, die diese Erfahrung nicht haben oder auch nicht machen möchten, kann keine Integration in den Alltag stattfinden. Denn der ist ja mehrheitlich geprägt von Menschen, die unsere Erfahrung gerade nicht teilen. Integration psychedelischer Erfahrungen bedeutet daher auch, dass man alles Spektakuläre, wie es die psychedelische Erfahrung mit sich bringt, bis zu einem gewissen Grad wieder loslässt. Wenn das der Preis für einen lebendigen, sinnerfüllten, spiritueller gewordenen Alltag ist, bezahlt man ihn vielleicht gerne.


5.1.2022
Umgang mit bad trips
Wer schon lange mit Psychedelika unterwegs ist, weiss aus Erfahrung, dass solche Reisen immer auch schwierige Wegstrecken beinhalten können. Die Gedanken kreisen und man bleibt im Gedankenkarussell gefangen. Unangenehme Gefühle steigen auf, oder man wird von Bildern und Visionen überschwemmt, die man nicht verarbeiten kann. Was dann häufig passiert: Man geht in den Widerstand; will die Gedanken, Gefühle und Bilder weghaben. Mit dem Resultat, dass alles noch schlimmer wird. „Keinen Widerstand leisten“ lautet daher die Empfehlung von erfahrenen Psychonauten und Psychonautinnen. Aber das ist leichter gesagt als getan, wenn der Beobachter in mir keinerlei Kontrolle mehr über das Geschehen hat und in Panik gerät.



Was also tun, wenn auf Trips solche Situationen eintreten? Auf jeden Fall sollte man schon vor der Reise geeignete Vorsichtsmassnahmen ergreifen. Wer alleine unterwegs ist, soll keine hochdosierte Reise unternehmen. Wer Substanzen mischt, klärt vorgängig ab, ob sie kombiniert werden dürfen. Auch der Zeitpunkt der Einnahme spielt dabei eine Rolle: psilocybinhaltige Pilze und MDMA sind kombinierbar; die Effekte können aber verschieden ausfallen, je nachdem man zuerst die Pilze und dann das MDMA einnimmt oder umgekehrt. In letzterem Fall - zuerst MDMA, dann Pilze - können die halluzinogenen Effekte des Psilocybins die herzöffnende Wirkung des MDMA zunichte und sich sehr unangenehm bemerkbar machen.



Wem das widerfährt, ist froh, wenn er oder sie in einer Gruppe unterwegs ist. Empathisches Fragen nach der Befindlichkeit und körperliche Berührung helfen dem/der Verwirrten vom Gedankenkarussell herabzusteigen, aus den peinigenden Gefühlen und Visionen herauszukommen. Sich auf den Atem zu konzentrieren, zu singen oder sich selber abzuklopfen ist oft hilfreich. Ebenfalls den Standort zu wechseln, wo man gerade ist. Oder den Blick auf etwas Lebendiges zu richten, eine Blume oder einen Baum.

Versagen alle diese Navigationsinstrumente, und das kann vorkommen, muss ich mir als innerer Beobachter/innere Beobachterin immer und immer wieder sagen, dass alles vorbei geht - auch dieser Trip. Es kann dann passieren, dass plötzlich Ruhe und Frieden einkehrt.


15.9.2021
Psychedelika und Empathogene im Alter?
Das Alter ist aus ganz verschiedenen Gründen ein idealer Zeitpunkt, um sich von Psychedelika und Empathogenen begleiten zu lassen. Gerade, wenn sich körperliche Einschränkungen bemerkbar machen und der äussere Radius dadurch eingeschränkter wird, kann das als Chance gesehen werden, um mehr nach innen zu gehen. Der eigene Tod und das eigene Sterben rücken näher. Im Alter muss man vieles loslassen, was einem als gegeben und unverrückbar geschienen hat. Einverstanden sein mit dem, was (noch) ist, ist etwas vom Schwierigsten überhaupt. Im Alter gilt dies noch viel mehr. Genau hier können aber Psychedelika und Empathogene wie MDMA eine segensreiche Wirkung entfalten. Weshalb?

• Bei einer LSD- oder Psilocybin-Erfahrung muss man sich hingeben an völlig neue, nicht kontrollierbare Erfahrungen. Man wird gezwungen die Kontrolle durch den Verstand loszulassen. Auf der Reise in andere Dimensionen „stirbt“ das Ego und man öffnet sich dem Unbekannten - genau wie beim Sterben. Psychedelische Reisen sind im Grunde genommen Übungen für ein „gutes Sterben“.

• Im Alter können vermehrt Ängste aufkommen, weil das Leben brüchiger wird. Ein Empathogen wie MDMA bewirkt, dass man für einige Stunden angstfrei auf die Dinge schauen kann, welche einem sonst ängstigen. Die angstlösende Wirkung kann so weit gehen, dass man all die Einschränkungen und Verluste, wie sie das Alter mit sich bringt, akzeptieren kann.

• Ungelöstes, Unerlöstes, durchs Leben mitgetragene Schuldgefühle können sich unter dem Einfluss von Psychedelika und Empathogenen auflösen und machen einem tiefen Glücks- und Liebesgefühl Platz. Auf diese Erfahrung sollte niemand verzichten müssen. Man weiss aus der Sterbebegleitung, dass ungelöste Konflikte, welche man das ganze Leben verdrängt hat, den Sterbeprozess erschweren.


25.8.2021
Mit der Kraft von Ayahuasca umgehen lernen
Wer Ayahuasca zu sich nimmt, setzt sich - zumindest in der anfänglichen „Reinigungsphase“ - einer Kraft oder Energie aus, die als Schockwelle durch den ganzen Körper flutet. Der Geist der Pflanze übernimmt die Führung und lässt unser stolzes Ego zu einem kleinen (ängstlichen) Beobachter werden, der froh ist, wenn er noch ein bisschen zuschauen darf und nicht ganz vom Platz verwiesen wird. Wenn wir uns mit unserem Verstand dagegen wehren möchten, führt dies in der Regel dazu, dass wir diese Kraft noch unerbittlicher zu spüren bekommen. Meist in Form von unangenehmen körperlichen Sensationen oder schwer zu ertragenden Visionen. Also nicht zu kämpfen versuchen. Madre Ayahuasca ist schliesslich nicht unsere Gegnerin, sondern möchte uns zu Einsichten verhelfen und Heilung bewirken. Ausgestattet mit einer Energie allerdings, die unsere menschlichen Kräfte weit übersteigt und doch auf sie angewiesen ist, um mit uns in den Dialog zu treten. Wir haben einen Körper, sind mit Sinnesorganen ausgestattet . Darauf können wir bauen, wenn wir uns auf Ayahuasca einlassen. Unser Körper, unser Atem, unsere Stimme sind die natürlichen Navigationsinstrumente, mit denen wir der „Madre“ helfen, uns ihre Geschenke in Form von Einsichten und Heilung so darzubieten, dass wir sie auch annehmen können. Vor allem mit unserem bewussten, tiefen Ein- und Ausatmen können wir die Energie von Ayahuasca zu den Orten im Körper und in unserem Geist lenken, die am Heilung brauchen. Wenn uns die Kraft von Ayahuasca zu überwältigen droht, besinnen wir uns auf unseren Körper. Wir berühren ihn sanft oder klopfen ihn kräftig ab und bleiben so geerdet und im Körper. Mit unserer Stimme singen oder pfeifen wir die Lieder, welche uns der Pflanzengeist eingibt. So lernen wir mit der Zeit die Heilkraft dieser „Mutter aller Heilpflanzen“ zu unserem Wohl und jenem der anderen und unserer Umwelt einzusetzen.


16.7.2021
Unser psychedelisches Ego
Viele von uns suchen nach spiritueller Erleuchtung. Wir möchten den kontrollierenden Verstand hinter uns lassen, „den Kopf aufbrechen“ (David Pinchbeck). Wir würden unser Ego am liebsten zertrümmern, unsere auf der Suche nach Erleuchtung letztlich nur störende Persönlichkeit loswerden. Psychedelika scheinen der kürzeste Weg, um dahin zu gelangen. Das stellt sich aber vielfach als Trugschluss heraus. Unser Verstand mit seinen ausgeklügelten manipulativen Eigenschaften kennt tausend Wege, um durch die Hintertüre auch die „spirituellsten“ Trip-Erfahrungen wieder in etwas Persönliches zu verwandeln. In etwas, das uns „ausmacht“, das uns Identität gibt, uns von anderen abhebt. Hand aufs Herz, wer hätte als Psychonaut oder Psychonautin nicht schon einmal (oder immer wieder) mitleidsvoll auf jene hinabgeschaut, denen diese Erfahrungen abgehen? So lange wir uns für etwas Besonderes halten, nur weil wir zu den Auserwählten gehören, die sich mit Psychedelika auf den spirituellen Weg begeben haben – so lange ist unser Ego, das wir doch abstreifen wollten, unser Begleiter.

Was also können wir tun um zu vermeiden, dass der Weg des Psychonauten/der Psychonautin nicht zum egozentrischen Irrweg wird? Mir hilft am ehesten die Erkenntnis, dass spirituelle Erfahrungen mit Psychedelika nicht Verdienste sind, die ich mir Kraft meiner Person oder Persönlichkeit erworben habe. Es sind Geschenke( religiöse Menschen würden sagen „Gnadenbeweise“), welche mir das Universum, die Anderswelt, die Pflanzengeister anbieten. Aus welchen Gründen auch immer: weil da eine Resonanz besteht; weil die Zeit reif ist, dass sich unser Bewusstsein weitet. Ich kann es letztlich nicht wissen. Ich weiss nur, „dass ich nichts weiss“ - und dieses Nichtwissen macht es dem psychedelischen Ego schwerer sich festzusetzen.

Gegen „Psychedelisches Aufblähen“ hilft gleichermassen, wenn man es schafft die auf den Trips gemachten Erfahrungen in den Alltag zu integrieren. So verlieren sie ihren Besonderheits-Status und werden Teil unseres Alltags. Zugegeben, das ist meist ein langer Prozess und fällt manchem und mancher schwer. Unser psychedelisches Ego reagiert gekränkt über diese Zurechtstutzung. Wer schon lange psychonautisch unterwegs ist, weiss aber, dass mit dem Wegfallen psychedelischer Grössenfantasien unser Alltag auf subtile Art spiritueller wird: Wir fühlen uns mit allem, was uns begegnet und widerfährt - im Guten wie im Schlechten - mehr verbunden und können zunehmend auch Ja sagen zu unseren Schattenseiten und den Prüfungen, welche das Leben für uns bereithält.



29.6.2021
Die Liebe unter dem Einfluss von MDMA und LSD
Wir sagen: „Ich liebe dich“ oder „ich liebe dieses und jenes“. Oder umgekehrt: „Ich liebe dich oder dieses und jenes nicht (mehr)“. Beide Male erleben wir die Liebe als etwas Persönliches mit einem Objekt, auf welches unsere Liebe gerichtet ist - ein Mensch, ein Lebewesen, ein Zustand, eine Sache. Ein Empathogen wie MDMA hat das Potenzial eine gänzlich anders geartete Liebe in uns zu erwecken. Wir erleben vielleicht zum ersten Mal in unserem Leben, dass wir „in der Liebe sind“ - dass Liebe ein existenzieller Seinszustand ist, der kein Objekt braucht. Diese Liebe ist bedingungslos, fliesst ohne unser Zutun und ohne jede Anstrengung durch uns hindurch. Sie muss nicht erwidert werden, ist nicht auf Gegenliebe angewiesen. Die Liebe unter dem Einfluss von MDMA, das weiss jedeR, der oder die sie schon erlebt hat, fühlt sich warm und wunderschön an. Sie umschliesst auch unsere Schattenseiten, sie ermöglicht uns frei von Angst auf unsere Probleme zu blicken. Wir sind in Liebe und Empathie mit allen und allem verbunden; auch mit jenen Menschen, die wir im Alltagsbewusstsein sonst verurteilen oder verachten. Das ist eine Erfahrung, die eindeutig Suchtpotenzial hat.

Um so schmerzlicher fühlt es sich an, wenn wir nach unserem Trip mit abklingender Wirkung der chemischen Substanz wieder „aus der Liebe fallen". Kaum haben wir das Paradies betreten, werden wir auch schon wieder aus ihm vertrieben. Für die meisten Psychonauten und Psychonautinnen bleibt das eine ernüchternde Grunderfahrung, an der auch viele Jahre „Reisepraxis“ wenig ändern.

Weshalb ist das so? Es scheint, als würde MDMA unseren Konditionierungen, die wir hier auf Erden als inkarnierte Menschen mit uns tragen, nicht standhalten können. Nach vier, fünf Stunden verpufft die Grosse Liebe und wir müssen uns den Unwägbarkeiten des irdischen Liebeslebens erneut stellen.

Anders ist es, wenn wir LSD und MDMA kombinieren: Dann sind die Chancen gegeben, dass wir etwas von diesem Seinszustand der Liebe, wie ihn MDMA evozieren kann, in den Alltag hinüber retten können. Mit LSD allein ist es schwierig "in die Liebe zu kommen". Zu kühl ist in der Regel diese Substanz. Aber in Kombination mit MDMA kann sie uns ins Mitgefühl bringen. Die geistige Klarheit, welche LSD in uns hervorruft, gibt der Liebe, die wir unter MDMA erfahren, eine Richtung: Unser Handeln im Alltag erfolgt mit mehr Mitgefühl, ohne dass wir in Liebe zerfliessen müssen.


28.5.2021
Den Psychedelika das Psychedelische austreiben?
Forschende an der Universität von Kalifornien sind derzeit an der Entwicklung eines Medikaments, das wie ein Psychedelikum wirkt, aber keine Halluzinationen hervorruft. Dies, weil sich Patienten und Patientinnen ängstigen könnten. Man versucht mit anderen Worten den Psychedelika ihr „Psychedelisches" auszutreiben. Magische Pilze ohne Magie, Meskalinerfahrungen ohne ihre so einzigartigen berauschenden Effekte von Farben und Formen, LSD-Trips ohne ihre himmlischen und höllischen Visionen. Ist das eine gute Idee?

Nun, schon der Entdecker des LSD, Albert Hofmann, war der Meinung, dass ein Psychedelikum wie das LSD alle Bereiche des Bewusstseins abdeckt: Er befand damals LSD in tiefen Dosierungen als Medikament zur Durchblutung des Gehirns geeigneter als geläufige Präparate auf dem Markt. Er selber hat es im hohen Alter bei sich so eingesetzt. In tiefsten Dosierungen, dem so genannten Microdosing, macht LSD wach, es stärkt das Ich und die Kreativität. In mittleren Dosierungen gelangt man in die Welt der Symbole, in den archetypischen Bereich, wo alles mit Bedeutung aufgeladen ist. In höheren Dosierungen landet man in einer verzauberten Welt, in noch höheren Dosierungen kann es zu einer "ozeanischen Selbstentgrenzung" kommen - das Ich löst sich auf.

Wenn nun aber psychedelika-ähnliche Medikamente entwickelt werden ohne die visionären Effekte von Psychedelika - und dies mit der Begründung Halluzinationen könnten für die Patienten belastend sein - muss man ein Fragezeichen setzen. Erstens geht es den Forschenden wohl eher um die Einsparung von Gesundheitskosten als um den Schutz der Patienten vor allzu starken Bildern: Die (teuere) therapeutische Betreuung bei der Einnahme des Medikaments entfällt, wenn der Patient das Medikament allein zu Hause einnehmen kann. Gerade Menschen mit schweren Depressionen oder posttraumatischen Belastungsstörungen brauchen aber nicht nur medikamentöse, sondern auch persönliche Behandlung durch einen Therapeuten oder eine Therapeutin. Eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Patient und Therapeut ist für sie ebenso wichtig wie die Droge. Zudem weiss man nicht erst seit den Arbeiten von Stanislav Grof und anderen Bewusstseinsforschenden, dass die Visionen, welche Psychedelika hervorrufen, massgeblich zum Heilungserfolg bei psychischen Erkrankungen beitragen können. Insofern bleibt ein starkes Unbehagen zurück, wenn man sich die möglichen Folgen einer breiten Verschreibung „halluzinationsbefreiter“ Psychedelika vor Augen führt.


30.4.2021
Psychedelika auch für Gesunde freigeben
Wir erleben im Moment einen Hype in der Erforschung von Psychedelika, aber auch von Empathogenen wie MDMA. Praktisch wöchentlich werden Studienergebnisse über die medizinisch-psychotherapeutischen Einsatzmöglichkeiten von Psilocybin, LSD, Ayahuasca oder MDMA veröffentlicht. Zeitungen, Radio- und TV-Stationen nehmen sich des Themas an und berichten zum Teil schon fast euphorisch über den Segen von Psilocybin für depressivkranke Menschen oder von MDMA für Menschen mit Posttraumatischen Belastungsstörungen. Es steht ausser Frage: Die Psychedelika-Forschung ist nach Jahrzehnten eines Dornröschenschlafes (infolge der Kriminalisierung psychotroper Substanzen in den 1970er Jahren) wieder salonfähig geworden. Grund zur Freude? Für all jene psychisch erkrankten Menschen, denen herkömmliche Psychopharmaka nicht helfen können, auf jeden Fall. Wenn jedoch die bald einmal zu erwartende Zulassung psychedelisch- oder empathogen-basierter Medikamente in der Schweiz und im deutschsprachigen Raum dazu führen sollte, dass eine Legalisierung/Regulierung einzig im medizinisch-therapeutischen Bereich stattfindet, dann würde das auf eine „Medizinalisierung“ der Freigabe von Psychedelika und Empathogenen hinauslaufen. Als gesundes Individuum, das nach Bewusstseinserweiterung und spirituellem Wachstum strebt, müsste ich mich erst krank schreiben lassen, um in den (legalen) Genuss dieser Substanzen zu kommen. Psychedelika-Forschende in der Schweiz geben sich optimistisch, dass im medizinisch-therapeutischen Rahmen legalisierte Psychedelika zu einem späteren Zeitpunkt auch gesunden Personen als Türöffner auf dem spirituellen Weg zur Verfügung stehen werden. Ohne starke politische Lobbyarbeit wird das jedoch nach meiner Einschätzung nicht passieren. Psychonauten und Psychonautinnen auf der psychedelischen Sinnsuche müssen sich das auf dem Gesetzesweg erkämpfen.


23.4.2021
Checkliste für einen sicheren Trip
In den Vorgesprächen zu meinem Buch „Elysium hin und zurück - Mit Psychedelika unterwegs in der zweiten Lebenshälfte“ betonten meine Gesprächspartner und -partnerinnen immer wieder, wie wichtig es für sie sei auf dem Trip Vorsichtsmassnahmen einzuhalten. Auch dann, wenn man wie sie zwanzig oder dreissig Jahre Erfahrung mit Psychedelika und Empathogenen hat. Ihre Checkliste für einen sicheren Trip sieht wie folgt aus:

• Du weisst immer, was du dir zuführst und du kennst die Dosierung. Mit hohen Dosierungen ist man nur unterwegs, wenn man längere Erfahrungen hat oder in einer geleiteten Gruppe reist.
• Wenn du eine Substanz mit einer weiteren Substanz mischst, informierst du dich zuvor. Es gibt Websites mit entsprechenden Angaben, was geht und was ein absolutes No Go ist (z.B. Cannabis und Kokain), siehe https://www.drogenwelt.com/­category/­mischkonsum/­
• Wer MDMA (Ecstasy) zu sich nimmt, muss zwischendurch immer wieder genügend Wasser trinken, um Kreislaufprobleme zu vermeiden. MDMA belastet das Herz und den Kreislauf - besonders, wenn man beim Tanzen stark schwitzt.
• Wenn du alleine auf die Reise gehst: Erstelle dir ein Notfallszenario, schreib die Tel. Nr. der Notfallärzte und -ärztinnen in der Nähe heraus oder notiere dir die Tel. Nr. einer Vertrauensperson, die du im Notfall anrufen kannst.
• Die Wirkung verschiedener Substanzen kann verzögert eintreten. Bei Meskalin kann es bis zu einer Stunde dauern, bis man etwas spürt. Leg also nicht sofort nach, sondern gedulde dich bis die Wirkung eintritt.
• Wenn es dir psychisch schlecht geht, lass die Finger von Psychedelika und Empathogenen, ausser du erhältst diese Substanzen im Rahmen einer Psychotherapie. Merke: Psychedelika können jede Stimmung enorm verstärken.
• Wähle für den Trip einen Ort, wo es dir wohl ist und du dich sicher fühlst. Das kann zuhause oder in einem liebevoll eingerichteten Raum auswärts sein, oder an einem schönen Plätzchen in der Natur.
• Wenn du mit jemand anderem zusammen auf den Trip gehst, dann nur mit einer Person oder mit Personen, der oder denen du vertrauen kannst. Macht Regeln für die Reise ab, dass z.B. niemand ausser zum Pinkeln die Gruppe verlässt.
• Nimm eine klare Absicht oder eine Frage mit auf den Trip. Das hilft vor allem in schwierigen Phasen, um dich wieder zu erden und fokussieren. Man kann sich dann innnerlich immer wieder mit dieser Absicht oder Frage verbinden.
• Geh immer wieder einmal auch in die Stille. Lieg ruhig da und mache nichts. Gerade MDMA entfaltet seine tiefste Wirkung nur im Ruhemodus und nicht beim Abtanzen.
• Auf einem Psychedelika-Trip erlebt man sich und die Welt völlig anders als im Alltag. Man kann von Farben, Formen und Visionen überschwemmt werden. Wenn das passiert, ist es ratsam mit dem Verstand keinen Widerstand zu leisten und sich den ungewohnten Bildern und Empfindungen hinzugeben. Das ist die beste Garantie für einen guten Trip.
• Dein Körper und Mind verfügen über verschiedene Hilfsmittel, die du auf einer Psychedelika-Reise einsetzen kannst. Bewusstes Ein- und Ausatmen hilft dir mit der ungewohnten Energie umzugehen, die von dir Besitz ergreift. Auch der Körper hilft dir geerdet zu bleiben. Du kannst dich immer wieder einmal selbst berühren, dich abklopfen, streicheln, dir übers Haar fahren.
• Wenn du „hängen bleibst“, d.h. in eine innere Blockade gerätst, hilft oft eine kleine Veränderung der Position oder der Aufmerksamkeit, um wieder ins Lot zu kommen. Wenn man liegt, steht man kurz auf, geht ein paar Schritte. Oder man richtet sein Augenmerk auf eine Pflanze im Raum oder schaut aus dem Fenster. Wenn du in einer Gruppe reist, scheue dich nicht die anderen um Unterstützung zu bitten.
• Lass dir genügend Zeit, um deine Erlebnisse zu integrieren. Plane deinen Trip so, dass du nachher noch einen freien Tag hast.


4.4.2021
Wer bin ich wirklich? Langzeiterfahrungen mit psilocybinhaltigen Pilzen
Psilocybinhaltige Pilze in der richtigen Dosierung und in einem stimmigen Setting eingenommen, haben eine enorme selbstheilende Wirkung. Das ist keine leere Behauptung, sondern lässt sich empirisch bei sich selbst immer wieder aufs Neue erfahren. Die Rede ist hier für einmal nicht von der viel versprechenden therapeutischen Behandlung klinisch diagnostizierter psychisch-seelischer Erkrankungen wie Depressionen, Traumata oder Angststörungen wie sie derzeit weltweit in Pilotstudien stattfindet. Nein, ich spreche von der stupenden Fähigkeit dieser kleinen Wesen uns den Spiegel so hinzuhalten, dass wir nicht anders können als hinzuschauen. Dann zeigt sich uns nicht nur unsere Schokoladenseite (die wir uns alle immer wieder gerne ansehen), sondern es melden sich jene Aspekte unserer Persönlichkeit, die wir noch so gerne ablegen würden: Unsere tiefsten Verletzungen, unsere Neid- und Eifersuchtsgefühle, unsere Verlustängste, Anhaftungen, unsere Gier und was der Schattenseiten mehr sind.

Die Pilze werden uns früher oder später mit ihnen konfrontieren. Je nachdem, wie gross unser Widerstand in der jeweiligen Situation gegenüber dem vorgehaltenen Spiegel ist, kommt die Botschaft in unserer Wahrnehmung bestimmt, streng bis zwingend an. Wenn wir uns an Dosierungen im unter-psychedelischen Bereich halten, werden diese „Belehrungen“ aber stets liebevoll ausfallen. Wir lernen etwas über uns, das wir „unbepilzt“ nicht sehen wollen oder auch nicht sehen können, weil es sich unserem Alltagsbewusstsein entzieht. Der therapeutisch-heilende Effekt ist jedes Mal ein wenig ein anderer. Einmal ist es eine innere Blockade, die sich löst, und die Lebensenergie kann wieder fliessen. Oder wir können endlich Trauer über den Verlust einer Liebesbeziehung, den Tod eines lieben Menschen zulassen und fühlen uns danach um vieles leichter. Oder wir dürfen unter Einfluss der Pilze die so ungemein heilsame Erfahrung machen, dass alles in unserem Leben seine Richtigkeit hat - dass nichts geändert, nichts hinzugefügt und nichts weggelassen werden muss. Wir sind einverstanden mit dem, was ist. Angesichts einer Welt, in welcher für die meisten von uns so vieles nicht akzeptierbar ist, kann diese Erlaubnis für einmal nichts zu tun eine ungemein tiefe und befreiende spirituelle Erfahrung darstellen.

In diesem Sinne verstanden ist eine Selbsterkundung mit psilocybinhaltigen Pilzen eine veritable Selbsttherapie und Selbstheilung. Der Therapeut, die Therapeutin sind wir zusammen mit den Pilz-Entitäten, mit denen wir eine die Gesundheit fördernde Beziehung eingehen. Das wiederum ist aber nur mit Dosierungen möglich, bei denen die psychedelischen Effekte nicht überwiegen. Werden wir von Visionen überschwemmt, wird es schwieriger ein Bewusstsein aufrecht zu erhalten, wo genaues, achtsames Hinschauen möglich ist.


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